06. November 2023
Factoring
Für Unternehmen ist die Sicherung ihrer Liquidität zur Erhaltung ihres Handlungsspielraums von erheblicher Bedeutung. Flexible Finanzierungsmöglichkeiten wie das Factoring bieten individuelle Lösungen für die Konsolidierung der Liquidität und gestalten das Forderungsmanagement neu. Damit kann das Factoring ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Kapitalquote und zur betriebswirtschaftlichen Unternehmensplanung sein.
Factoring ist eine Form der Finanzierung, bei der Unternehmen offene Forderungen aus ihren Lieferungen und sonstigen Leistungen an Factoring-Unternehmen verkaufen. Der Begriff Factoring geht auf das lateinische „factura“ zurück, das mit „Rechnung“ übersetzt werden kann. Beim Factoring wird eine Rechnung, das heißt, eine offene Forderung eines Lieferanten oder Dienstleisters auf einen Dritten übertragen.
Während beim normalen Forderungsmanagement zwei Partner – das Unternehmen und seine Kunden – beteiligt sind, kommt beim Factoring mit dem Factoring-Unternehmen ein dritter Partner hinzu. In der Anwendung der Finanzierungsform wird das Unternehmen, das offene Forderungen verkauft zum Factoringnehmer und das Factoring-Unternehmen zum Factor. Die Forderung des Unternehmens geht dabei auf den Factor über. Factoringnehmer und Factor schließen einen gemeinsamen Vertrag über das Factoring, der über den Ablauf und die Art des Factoring bestimmt.
Mit dem Erhalt einer Ware oder dem Empfang einer Dienstleistung entsteht für den Kunden gegenüber dem Lieferanten oder Dienstleister ein Schuldverhältnis. Dieses Verhältnis tritt rechtlich mit dem Erhalt einer Rechnung in Kraft, in der das Unternehmen seine Forderung schriftlich adressiert. Widerspricht der Kunde der Rechnung nicht, erkennt er das Schuldverhältnis an. Das Unternehmen wird mit Übermittlung seiner Forderung zum Gläubiger gegenüber seinem Kunden, der dabei zu dessen Schuldner wird. Verkauft das Unternehmen die noch nicht bezahlte Forderung an einen Factor, geht damit auch das Schuldverhältnis auf diesen über. Mit der Übertragung der Geldforderung findet eine Abtretung statt. Mit dieser Forderungsabtretung wird der Factor zum neuen Gläubiger gegenüber dem Kunden, der nun zu dessen Schuldner wird. Das Unternehmen scheidet aus seinem Gläubigerverhältnis gegenüber dem Kunden aus.
Der Gesetzgeber hat die Rechtsverhältnisse bei einer Abtretung im Bürgerlichen Gesetzbuch § 398 Abs. 1 BGB vorgegeben. Demnach kann ein Gläubiger seine Forderung auf einen Dritten übertragen. Die Abtretung ist mit einem gemeinsamen Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Dritten zu regeln. Mit Abschluss des Abtretungsvertrags wird der Dritte zum neuen Gläubiger und tritt an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Der Schuldner der Forderung ist dabei kein Vertragspartner. Er wird ohne Mitspracherecht zum Schuldner des neuen Gläubigers.
Ziel des Factoring ist die Beschleunigung des Forderungsmanagements beim Factoringnehmer, der durch den Verkauf seiner Forderungen die Außenstände vom Factor innerhalb kurzer Zeit erhält und daher nicht auf Zahlungseingänge durch seine Kunden warten muss. Mit dem Factoring kann das Unternehmen gegenüber seinen Kunden seine Forderung ohne Verzögerung durchsetzen. Da die Forderungen dem Factoringnehmer sofort zur Verfügung stehen, wird das Factoring als umsatzkongruente Finanzierungsform bezeichnet. Vorderstes Ziel des Factoring ist die Sicherung von Liquidität, die einen Anstieg der Eigenkapitalquote nach sich zieht.
Die Sicherung der Liquidität schützt Unternehmen vor einem Zahlungsausfall, der immer als spürbarer Verlust die Wirtschaftlichkeit des Betriebs beeinträchtigt und bei größeren Summen auch existenzbedrohend sein kann. Nicht nur der endgültige Zahlungsausfall, auch eine lange Wartezeit von der Produktion oder Leistungserbringung bis zu ihrer Vergütung kann die Existenz von Unternehmen gefährden. Eine hohe Eigenkapitalquote sorgt darüber hinaus für eine positive Bonität des Unternehmens, die Investitionen erleichtert, die Kreditwürdigkeit verbessert und somit die Handlungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet.
Grundsätzlich steht das Factoring Unternehmen aller Größen zur Verfügung. Freiberuflern und Gewerbetreibenden bietet Factoring ebenso umfangreiche Vorteile wie kleinen und mittelgroßen Unternehmen oder Großkonzernen. In der Praxis hat sich im Laufe der letzten Jahre gezeigt, dass insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen aus dem Mittelstand, sowie Existenzgründer das Factoring als attraktives Instrument zur Finanzierung in Anspruch nehmen. Gerade Unternehmen dieser Größen sind oftmals nicht mit hohem Kapital hinterlegt, während sie in ihrer betrieblichen Praxis zugleich schnell und flexibel auf wirtschaftliche Bewegungen reagieren müssen. Im Gegenzug hat sich das Spektrum der Factoring-Anbieter erweitert, die sich auf verschiedene Branchen spezialisieren, unterschiedliche Arten von Factoring anbieten und das Factoring mit entsprechend variierenden Konditionen ausgestalten.
Der Ablauf einer Finanzierung durch Factoring lässt sich in sechs Schritten nachzeichnen:
1. Schritt: Eine Forderung entsteht
Basis für die Abwicklung des Factoring ist die rechtsgültige Forderung. Mit der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen entsteht die rechtliche Grundlage, auf der ein Unternehmen eine Forderung gegenüber seinen Kunden erheben kann. Diese wird durch ein Rechnungsdokument schriftlich belegt. Damit die Forderung für ein Factoring tauglich ist, muss sie einen konkreten Vermögenswert beziffern, der durch den Kunden noch nicht beglichen ist und sie muss rechtskräftig sein. Das bedeutet, dass der Kunde der noch offenen Forderung nicht widersprochen hat, zum Beispiel weil die Ware schadhaft ist oder die Dienstleistung nur ungenügend ausgeführt wurde und er den Gegenstand der Rechnung – die Ware oder die Dienstleistung – oder den Forderungsbetrag reklamiert.
2. Schritt: Das Risiko wird bewertet
Der Factor bewertet das Risiko für die Übernahme der Forderungen, indem er die Bonität des Kunden, beziehungsweise des Debitors prüft. Besteht ein erhöhtes Risiko für einen Zahlungsausfall durch die negative Bonität eines Kunden, hat das abhängig von der Art des Factoring Auswirkungen auf Gebühren und sonstige Vereinbarungen im Vertrag.
3. Schritt: Factoring wird vereinbart
Das Unternehmen tritt an ein Factoring-Unternehmen heran, um seine Forderung zu übertragen. Hierfür vereinbaren das Unternehmen als Factoringnehmer und der Factor in einem gemeinsamen Vertrag die Art und sämtliche Konditionen für die Abtretung. Mit Abschluss des Vertrags wird das Rechtsverhältnis zwischen allen Beteiligten verändert und der Factor übernimmt die alleinige Verantwortung für die Beitreibung der offenen Forderung.
4. Schritt: Die Vereinbarung wird umgesetzt – Bezahlung der Abtretung
In der Regel erhält das Unternehmen als Factoringnehmer innerhalb von sehr kurzer Zeit – meist binnen zwei Tagen – einen Zahlungseingang, mit dem der Factor einen Großteil des Bruttobetrags – zumeist zwischen 80-90 % – aus der übertragenen Forderung an das Unternehmen überweist. Der Factoringnehmer hat damit innerhalb kurzer Zeit einen Großteil seiner Forderung erhalten und muss sich nicht mehr um deren Beitreibung kümmern.
5. Schritt: Der neue Gläubiger adressiert den Kunden
Der Factor treibt die Forderung, die ihm übertragen wurde, nun vom Kunden des Unternehmens, der zu seinem eigenen Schuldner geworden ist, ein. Der Kunde bezahlt lediglich den Forderungsbetrag, der durch die erhaltene Lieferung oder Leistung entstanden ist und den er von seinem Lieferanten oder Dienstleister auf dessen Rechnung mitgeteilt bekommen hat. Er wird nicht mit Kosten für das Factoring belastet.
6. Schritt: Der Factor überweist den Restbetrag
Hat der Factor die Forderungen, die er übernommen hat, erfolgreich eingetrieben, bezahlt er dem Factoringnehmer die vereinbarte Restsumme aus, die in der Regel 10-20 % der Bruttoforderung beträgt. Von seiner Zahlung an den Factoringnehmer zieht der Factor die vereinbarten Kosten für seine Finanzdienstleistung ab.
Da die Anforderungen vieler Unternehmen unterschiedliche Ausprägungen aufweisen, haben sich verschiedene Arten von Factoring etabliert, die individuelle Lösungen für die Finanzierungsmethode bieten. Dazu gehören insbesondere:
Neben den klassischen Varianten des Factoring stellt das Reverse Factoring eine Sonderform, die dem Factoringnehmer ein Höchstmaß an Flexibilität bietet. Das Reverse Factoring ist eine Vorfinanzierung von Waren oder Leistungen, die bei einem Lieferanten eingekauft werden und wird daher auch als Lieferanten- oder Einkaufsfinanzierung bezeichnet. Diese Art des Factoring kommt in verschiedenen Fällen in Betracht:
Der Factoringnehmer erhält durch den Factor zwei Rechnungen, von denen eine die Factoring-Gebühren enthält und die andere die Finanzierung berechnet. Die Gebühren umfassen anfallende Services, die Übernahme des Risikos für Zahlungsausfall, das Forderungsmanagement und weitere Aufwendungen. Die Finanzierungskosten orientieren sich an üblichen und aktuellen Kontokorrentkosten.
In der Regel setzen sich die Kosten für das Factoring aus drei zentralen Komponenten zusammen:
Die tatsächlich anfallenden Kosten für das Factoring kommen unter Berücksichtigung zahlreicher variabler Kriterien zustande, die im Vertrag vereinbart wurden. Neben weiteren gehören dazu zum Beispiel:
Im groben Durchschnitt bewegen sich die Kosten für das Factoring zwischen 0,5 bis 2,5% der betroffenen Forderung.
Da sich die Kosten für das Factoring nach zahlreichen Kriterien richten, können Factoringnehmer im Vorfeld einige Faktoren berücksichtigen, um ihre Belastungen für die Finanzierungsmethode zu minimieren. Komponenten, die auf die Kosten für das Factoring Einfluss nehmen und im gegebenen Fall durch den Factoringnehmer gesteuert werden können, sind zum Beispiel:
Aufgrund der zahlreichen Kriterien, die auf die Kosten für das Factoring Einfluss nehmen, lohnt es sich für Unternehmen, im Vorfeld zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen, die den Aufwand und das Risiko für den Factor minimieren, um die eigenen Kosten zu optimieren.
Die Finanzierung durch Factoring bietet für Unternehmen, die die Finanzdienstleistung in Anspruch nehmen wollen, zahlreiche Vorteile. Denn die Verbesserung der Liquidität durch den zeitnahen Zahlungseingang von 80 bis 90 Prozent der Gesamtforderung verschafft dem Unternehmen einen zeitlichen Vorsprung und finanziellen Handlungsspielraum. Nicht nur die Position gegenüber Lieferanten wird deutlich verbessert, auch die Kreditwürdigkeit steigt. Kommt es tatsächlich zu einem Zahlungsverzug oder zu Zahlungsausfällen durch Kunden, verhindert Factoring die Belastung der Liquidität. Zu weiteren Vorzügen des Factoring gehören:
Im Vergleich zu den Vorteilen fallen die Nachteile des Factoring zwar gering aus, wenngleich sie in die Entscheidungsfindung einbezogen werden können.
Die Kosten, die beim Factoring anfallen, können auf den ersten und oberflächlichen Blick täuschen. Denn der finanzielle Nutzen, der mit dem Factoring einher geht, kann die Aufwendungen für Gebühren und Zinsen mehr als aufwiegen. Zu den finanziellen Vorteilen, die beim Factoring entstehen, gehören neben weiteren zum Beispiel:
Sofortzahlung mit Sparpotenzial
Dank der sofortigen Liquidität durch das Factoring können Unternehmen ihre Lieferantenrechnungen sofort bezahlen und Skonti, Boni und Rabatte nutzen. Das verbessert nicht nur die Geschäftsbeziehung zum Lieferanten, sondern kann abhängig vom Unternehmen erhebliche Einsparungen mit sich bringen
Dehnung von Zahlungszielen
Da offene Forderungen beim Factoring sofort bezahlt werden, können Unternehmen gegenüber ihren Kunden großzügig sein und lange Zahlungsziele einräumen. Wenn sie die Rechnungsbegleichung nicht mehr durch die Gewährung von Skonti und Rabatten beschleunigen müssen, gehen keine Abzüge mehr von ihren Forderungen weg.
Reduzierung von Personalkosten
Die Auslagerung des Forderungsmanagements an den Factor setzt nicht nur Kapazitäten für die Produktion frei. Sie reduziert auch den Aufwand in der eigenen Buchhaltung spürbar und sorgt somit für Einsparpotenzial bei den Kosten für Mitarbeiter, das abhängig von der Unternehmensgröße spürbar positiv zu Buche schlagen kann.
Reduzierung weiterer Nebenkosten
Unternehmen, die aufgrund großer Warenaufkommen ihre Lieferungen gegen das Risiko Zahlungsausfall durch den Abschluss von Warenkreditversicherungen absichern mussten, können sich auch diese Ausgaben sparen. Denn die gesicherte Finanzierung im Zuge des Factoring macht eine Absicherung gegen den Zahlungsausfall obsolet. Auch Kosten für das Einholen von Auskünften über die Bonität von Kunden entfallen.
Das Factoring dient vielen Unternehmen neben der Finanzierungsmöglichkeit als Instrument der Bilanzpolitik. Das Factoring führt dem Factoringnehmer sofort Finanzmittel für gelieferte Waren oder erbrachte Leistungen zu. Wird das Geld eingesetzt, um Verbindlichkeiten des Unternehmens zu begleichen, verbleibt nur der Restbetrag von 10-20 Prozent des Gesamtbetrags in den offenen Forderungen der Bilanz. Somit sinken durch das Factoring in der Bilanz auf der Aktivseite die Forderungen ebenso wie auf der Passivseite die Verbindlichkeiten für Lieferungen und Leistungen. So kommt es durch das Factoring zu einer Bilanzverkürzung, in deren Folge die Bilanzsumme absinkt. Die Absenkung der Bilanzsumme wiederum zieht die automatische Erhöhung der Eigenkapitalquote nach sich, mit der das Unternehmensrating steigt. Das Rating ist eine Kennzahl zur Bewertung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens.
Die Komponenten Eigenkapitalquote und Rating sind zentrale Größen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens durch Außenstehende, wie zum Beispiel durch Banken, Investoren und Geschäftspartner, insbesondere Lieferanten. Die verbesserte Bewertung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens nimmt positiven Einfluss auf dessen Verhandlungsposition gegenüber Geldgebern und Investoren. Sie stärkt auch die Position des Unternehmens gegenüber Banken bei Kreditverhandlungen, wenn es darum geht, optimale Kreditkonditionen auszuhandeln.
Obwohl Factoring und Inkasso auf den ersten Blick einige Gemeinsamkeiten haben, sind sie doch deutlich voneinander zu trennen. Zwar werden bei beiden Vorgängen Forderungen durch einen Dritten beigetrieben, aber das Factoring findet seine Abgrenzung zum Inkasso durch die Art der Forderung. Factoring ist eine Vorfinanzierung, die vom Zahlungsverhalten des Schuldners unabhängig ist. Während Inkasso erst dann beauftragt und tätig werden darf, wenn eine Forderung bereits im Zahlungsverzug ist, greift eine Abtretung im Zuge von Factoring unmittelbar nach der Rechnungsstellung. Inkasso ist eine Instanz der Beitreibung, deren Begründung auf den Zahlungsverzug zurückgeht, wohingegen das Factoring eine Art der Finanzierung für Unternehmen ist, die den Zweck der Liquiditätssicherung verfolgt.