22. Februar 2023
Factoring
Jedes Mal wenn eine Ware geliefert oder eine Dienstleistung erbracht wird, entsteht gegenüber dem Kunden eine Forderung. In der Regel setzt der Lieferant oder Dienstleister eine Zahlungsfrist von vierzehn Tagen fest. Die gesetzliche Zahlungsfrist beträgt sogar 30 Tage. Obwohl der Verkäufer oder Dienstleister seine Lieferung oder Leistung schon erbracht hat, erhält er sein Geld erst später. Zudem muss er Zahlungseingänge kontrollieren und gegebenenfalls die Forderung anmahnen. Angesichts von Aufwand und Risiko liegt es nahe, über die Möglichkeit nachzudenken, offene Forderungen zu verkaufen.
Unternehmen können offene Forderungen, die aus ihren Geschäftstätigkeiten entstanden sind, an Banken, an Factoring- und Inkassounternehmen, oder aber auch an Rechtsanwälte verkaufen. Wenn Unternehmen ihre offenen Forderungen verkaufen, muss der Käufer den festgesetzten Betrag, der in einem Kaufvertrag bezeichnet wird, sofort bezahlen.
Für den Verkauf offener Forderungen gelten die Vorschriften aus § 433 BGB, nach denen der Kaufvertrag den Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Forderung zu übertragen. Die Forderung muss frei von Sach- und Rechtsmängeln sein. Der Käufer hingegen ist laut § 433 BGB verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen und den Verkaufsgegenstand auch abzunehmen. Wenn der Verkäufer beschließt, seine Forderung zu verkaufen, setzt er eine vollständige Abtretung der Forderung gegenüber dem Schuldner an den Käufer um. Der Verkäufer der Forderung haftet laut § 433 BGB dafür, dass diese rechtlich Bestand hat. Er ist dahingegen nicht verantwortlich dafür, ob der Schuldner bezahlen will oder kann. Somit geht das Risiko für einen Ausfall der Forderung auf den Käufer über.
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 398 BGB die Abtretung einer Forderung. Demnach kann eine Forderung vom Gläubiger auf eine andere Person oder ein anderes Unternehmen übertragen werden. Die Abtretung erfordert eine vertragliche Vereinbarung zwischen den beiden Parteien. Ist der Vertrag abgeschlossen, tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Die Position des Schuldners hingegen bleibt ebenso wie die Art und Höhe der Forderung unberührt. Die klassische Forderungsabtretung dient in erster Linie der Sicherung. Der Forderungsverkauf hingegen ist eine Vereinbarung darüber, dass nach Vertragsabschluss der Käufer der Forderung den Rechnungsbetrag sofort an den Verkäufer der Forderung ausbezahlt.
Eine der Grundvoraussetzungen, um eine Forderung zu verkaufen, ist die Rechtsgültigkeit der Forderung. Diese liegt zum Beispiel nicht vor, wenn Lieferungen oder Leistungen, die die Forderung begründen, nicht, nicht vollständig oder nicht mangelfrei erbracht wurden. Ein Unternehmen kann eine Forderung nicht verkaufen, die mit Reklamationen belastet ist. Weitere Fälle können den Verkauf einer Forderung verhindern:
Grundsätzlich können Unternehmen alle Arten von Forderungen verkaufen, die nicht vom Gesetzgeber ausgeschlossen sind. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Bedingungen für den Verkauf sich nach bestimmten Eigenschaften richten und daher unterschiedlich ausfallen.
Überfällige Forderungen deuten Schwierigkeiten bei der Eintreibung an. Daher ist der Verkauf mit einem vergleichsweise hohen Abschlag verbunden. Zumeist werden überfällige Forderungen an Inkassounternehmen verkauft.
Bei Forderungen, die bereits einen gerichtlichen Titel tragen, ist die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher bereits möglich. Die Aussicht auf eine erfolgreiche Eintreibung ist bei Forderungen mit Titel sehr gering. Daher ist für diese Art von Forderungen ein sehr hoher Abschlag hinzunehmen. Forderungen mit Titel können an einige Inkassounternehmen verkauft werden.
Grundsätzlich können strittige Forderungen verkauft werden, wenn der Forderungsinhalt rechtlich Bestand hat. Da strittige Forderungen mit rechtlichen Mitteln eingeholt werden müssen, sind einige Rechtsanwälte darauf spezialisiert und bieten sich als Käufer an.
Factoring-Unternehmen kaufen neue und zukünftige Forderungen von Unternehmen, mit denen sie langfristig zusammenarbeiten. Dabei werden nicht einzelne Forderungen übertragen. Vielmehr lagert das Unternehmen sein Forderungsmanagement ganz oder zum Teil an das Factoring-Unternehmen aus. Das Factoring-Unternehmen kauft die Forderungen des Handels- oder Produktionsunternehmens und bezahlt diese umgehend aus. Das Unternehmen im Gegenzug bezahlt eine Vergütung für die Übertragung des Ausfallrisikos ebenso wie für die sofort bereitgestellte Liquidität.
Der Forderungsverkauf bietet neben der verbesserten Liquidität auch Einsparungspotenzial in der Verwaltung des Unternehmens und noch weitere Vorteile:
Verbesserte Liquidität
Die schnelle Liquidität ist für viele Unternehmen der Hauptgrund dafür, dass sie Forderungen verkaufen. Mit einem Forderungsverkauf verlieren sie keine Zeit mit Zahlungszielen und Zahlungsverzug, sondern verkürzen den Erhalt ihres Zahlungseingangs. Die schnelle Liquidität führt zu einer besseren Planbarkeit und hält Handlungsspielräume offen.
Einsparung im Forderungsmanagement
Unternehmen, die Forderungen verkaufen, erhalten das Geld für ihre Lieferungen und Leistungen nicht nur schneller. Sie verringern auch den internen Aufwand für das Forderungsmanagement. Im regulären Geschäftsablauf müssen nicht nur Rechnungen geschrieben werden. Nach Erhebung der Forderung müssen auch in regelmäßigen Abständen alle Zahlungseingänge mit offenen Forderungen abgeglichen werden. Ist die Zahlung erfolgt, muss sie gebucht werden. Fehlt ein Zahlungseingang, muss nach Überschreitung der Fälligkeit eine Zahlungserinnerung und nach weiterer Säumnis eine weitere Mahnung verschickt werden. Das Forderungsmanagement kostet nicht nur Geld für Personal, es besteht auch stets das Risiko des Zahlungsausfalls.
Risikominimierung
Da der Verkäufer einer Forderung lediglich für die Rechtmäßigkeit seiner Forderung haftet und nicht für die Zahlungsfähigkeit seines Schuldners, beugt er einem Zahlungsausfall vor. Das Risiko, die offene Forderung durch langwierige Verfahren gerichtlich eintreiben zu müssen, geht auf den neuen Gläubiger über.
Ob es für Unternehmen lohnend ist, Forderungen zu verkaufen, muss genau abgewogen werden. Denn der Forderungsverkauf kann sich auch nachteilig auswirken.
Schwierigkeiten bei der Käufersuche
Abhängig vom Inhalt der Forderung kann es schwierig sein, einen Käufer für die Forderung zu finden.
Minderung des Forderungswertes durch Abschläge
Käufer von Forderungen müssen einen Profit mit ihrem Geschäftsmodell erzielen. Abhängig von der Art der Forderung und ihrer Höhe übernehmen Käufer offene Forderungen mit Abschlägen. Wenn Unternehmen ihre Forderungen verkaufen, müssen sie entsprechende Wertverluste ihrer Forderungen hinnehmen.
Umsetzung im Paket
Bei vielen Anbietern können Unternehmen ihre Forderungen nicht einzeln verkaufen. Damit sich die Übernahme für den Käufer lohnt, müssen Forderungspakete angeboten werden. Die Zusammenstellung von Paketen an Forderungen wiederum kostet Zeit und Sorgfalt, die der Verkäufer im Vorfeld aufbringen muss. Dabei muss im Vorfeld die Abwägung getroffen werden, wie das Verhältnis des Aufwands im Forderungsmanagement im Vergleich zum Verlust durch Abschläge ausfällt und ob es sich lohnt, die Forderungen zu verkaufen.
Kundenkommunikation
Das Forderungsmanagement mag zwar grundsätzlich mit hohem Aufwand verbunden sein. Doch es ermöglicht auch einen unmittelbaren Zugang zum Kunden. Verläuft die Kommunikation zwischen Forderungsmanagement und Kunden positiv, kann sich der Kunde an das Unternehmen binden und in Zukunft wieder dort einkaufen. Viele Kunden hingegen empfinden es als irritierend, wenn sie die Rechnung für einen Einkauf auf das Konto eines ihnen unbekannten Adressaten bezahlen sollen. Das Unternehmen verliert dabei den unmittelbaren Kontakt und die persönliche Ansprache mit dem Kunden. Eine Alternative bietet das sogenannte stille Factoring, bei dem der Forderungsverkauf nicht gegenüber dem Rechnungsempfänger offengelegt wird. Dieses wird in Deutschland allerdings selten angeboten.
Möchten Sie Forderungen verkaufen, müssen Sie mit Abschlägen rechnen. Die Abschläge richten sich nach unterschiedlichen Kriterien. Diese sind:
Für Unternehmen, die Forderungen verkaufen möchten, lohnt es sich, Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen und im Vorfeld professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.